Bannerbrief vom 24. Juli 1512

     Wir Matthäus, aus göttlicher Barmherzigkeit Kardinal des Titels der heiligen Potentiana, Priester von Sitten, Legat unsers allerheiligsten Herrn des Papstes und des römischen Stuhls in Deutschland, in der Lombardei und überall in Italien, wohin wir gelangen mögen, wünschen unsern Geliebten in Christus, den Landleuten und Bewohnern der Grafschaft Toggenburg, im Konstanzer Bisthum, in der Mainzer Diözese, ewiges Heil in dem Herrn. Da Ihr neulich mit den andern Eidgenossen der römischen Kirche zu Hülfe gekommen seid, um ihre Einheit und des apostolischen Stuhles Freibeit zu bewahren und da Ihr derselben erheblichen Beistand geleistet habt, so erachten wir es als billig, ja gerecht, dass der erwähnte römische Stuhl Euch mit augenfälliger Bezeichnung Eurer Vortrefflichkeit schmücke und ziere und mit seinem besondern Wohlwollen umfange. Demgemäss haben wir, in Anbetracht Eurer ruhmwürdigen Thaten, nach der Weise unserer Vorfahren und kraft der uns übertragenen apostolischen Autorität Euch und allen Euren Nachkommen für ewige Zeiten gestattet, in Euren Fahnen und Bannern neben Euren gewöhnlichen Wappen und Abzeichen das Bild des heiligen Sebastian und zwei rothe Schlüssel nach Art und Weise der römischen Kirche, frei und offen zu führen und zu gebrauchen, und wir gewähren dies als ein besonderes Gnadengeschenk, ohne Rücksicht auf andere apostolische Satzungen und Verordnungen, oder irgend welche Bestimmungen, die dem entgegenstehen könnten.

     Gegeben zu Alessandria, im Jahre der Menschwerdung unsers Herrn 1512, am 24. Juli, im neunten Regierungsjahre des Papstes Julius II.

*     *     *

Toggenburger Banner um1512Noch Ende des 19. Jahrhunderts wurde im Rathhaus zu Lichtensteig eine Fahne aufbewahrt, die an den glänzenden Feldzug des Jahres 1512 erinnert, in welchem die damals im Sold des Papstes stehenden Schweizer die Franzosen aus Oberitalien vertrieben und über die Alpen zurückdrängten. Als Papst Julius II. in seiner Freude über diese Erfolge den Toggenburgern durch seinen Kardinallegaten Matthäus Schinuer eine Fahne aus gelbem Seidendamast mit Toggenburger Wappen (schwarze Dogge mit dem silbernen Stechhalsband)  darüber zwei rote Schlüssel als Symbol der Gewalt des Stellvertreters Petri und in der oberen linken Ecke das Bild des heiligen Sebastian, wie er an einen Baum gebunden, getroffen von den Pfeilen seiner heidnischen Feinde, den Märtyrertod erduldet, überreichen liess. Die Beschenkten erhielten überdies im Bannerbrief die Erlaubnis, dieses Bild für alle Zukunft im Banner führen zu dürfen.

Die Fahne ist ein Prachtstück und gehört zu den schönsten und best erhaltenen Bannern aus der Zeit der Mailänder Feldzüge. Sie ist aus drei Streifen zusammengenäht und hat eine Höhe von 1,83 m- und eine Breite von 1,71 m. Der Damast zeigt ein reiches und scharf markiertes Ornament; leichte Fransen finden sich an den drei freien Seiten. Die Bilder sind offenbar von einem fremden Maler aufgetragen, was schon aus der freien, von der herkömmlichen Form abweichenden Behandlung des Wappentiers hervorgeht.