Unterwasser
Dorf in der polit. Gem. Wildhaus-Alt St. Johann SG. In der Talebene von Alt St. Johann am Zusammenfluss der Säntis- und der Wildhuserthur und zu beiden Seiten der vereinigten Thur gelegen. 15. Jh. Under dem Wasser. 1827 81 Einw.; 1990 751; 2010 685. Im MA lag U. im Herrschaftsgebiet der Gf. von Montfort. Im 13. Jh. gingen Besitzungen durch Schenkung der Edlen von Ganterschwil an die Benediktinerabtei St. Johann. 1555 wurde U. der Abtei St. Gallen inkorporiert. Durch die Aufhebung der Schule Schwendi und die Vereinigung mit der Schule Nesselhalden entstand 1835 der Schulkreis U. In bescheidenem Rahmen betrieb man in U. Seidenweberei, ab 1840 Plattstichweberei und ab 1874 die Maschinenstickerei. Nach 1860 entwickelte sich U. zum Molken- und Luftkurort, nach dem Bau der Standseilbahn U.-Iltios 1934 auch zum Winterkurort. Als tourist. Attraktion gilt der Wasserfall der Säntisthur im Chämmerlitobel.
Altsteinzeitl. Funde im Wildenmannlisloch. Rom. Alp- und Bergnamen weisen auf eine Nutzung durch eine rom. sprechende Bevölkerung hin. Das Kloster Sankt Johann wird erstmals 1152 erw., die Gem. erst 1439. Sie bildete einen Gerichtsbez. der klösterl. Herrschaft. Die Landesherrschaft lag ab 1396 bei den Gf. von Toggenburg, nach 1468 beim Fürstabt von St. Gallen. Die Reformation führte 1528 zum Bildersturm, zur konfessionellen Spaltung und zum Unterhalt zweier Kirchen. Nach der Inkorporation des Klosters St. Johann in die Fürstabtei St. Gallen (1555) wurde A. 1559 durch ein Landrecht den übrigen Toggenburger Gem. gleichgestellt. Im neuen Kt. St. Gallen wurde A. 1803 polit. Gem., zu der bis 1833 auch Stein (SG) gehörte. Das wirtschaftl. Schwergewicht lag vom 16.-17. Jh. an auf der Vieh- (Aufzucht, Milch, Fleisch) und Waldwirtschaft. Daneben bestanden bäuerl. Bedarfs- sowie Klein- und Kunstgewerbe (Musikinstrumentenbauer). Heute existieren 15 öffentl. und 4 private Alpkorporationen. Um 1900 kam der Fremdenverkehr auf: Wander- und Naturschutzgebiete an den Bergseen Gräppelen und Schwendi, Wasserfälle der Säntisthur. 1918 erhielt A. Anschluss an den öffentl. Verkehr durch die Pferdekutsche, später durch die Postautolinie Nesslau-Buchs. In der Folge wurde die Churfirstenregion durch Bergbahnen erschlossen: 1934 Standseilbahn Unterwasser-Iltios (erste Bergbahn im Toggenburg), 1938 Schlittenseilbahn Iltios-Stöfeli, 1946 Sessellift A.-Alp Selamatt, 1972 Luftseilbahn Iltios-Chäserrugg. Seit 1950 nimmt die Zahl der Beschäftigten im 2. und v.a. im 3. Sektor zu Lasten der bäuerl. Betriebe stetig zu. In der Raumplanung arbeitet A. zusammen mit Wildhaus an einer qualitativen Entwicklung der Kurort-Region.
Thur
131 km langer Fluss in den Kt. St. Gallen, Thurgau und Zürich. Erstmals erw. 610 im Zusammenhang mit dem pagus Turensis. Die T. entsteht bei Unterwasser durch die Vereinigung von zwei Quellbächen: die Wildhuser T. entspringt in der Moorlandschaft Munzenriet am Passübergang vom Toggenburg ins Rheintal, die Säntisthur an den Hängen südlich des Säntis. Die Schlucht von Starkenbach schliesst die oberste Talkammer von Alt St. Johann ab. Der Oberlauf in die Talkammern von Nesslau-Krummenau wird durch drei Wasserfälle abgestuft. Gegen Ende des Oberlaufs fliesst bei Lütisburg der Necker zu. Im Mittellauf beginnt eine ausladende Flussschlaufe bei Wil (SG), die T. wendet sich ostwärts. Bei Uzwil und Oberbüren (SG) fliesst die Glatt zu, nach der Grenze zum Kt. Thurgau mündet bei Bischofszell die Sitter in die T.; dort wendet sich der Fluss nach Westen. Im Unterlauf fliesst bei Frauenfeld die Murg zu. Vor Andelfingen überquert die T. die Grenze zum Kt. Zürich und mündet bei Flaach in den Rhein.
Der Fluss wurde schon durch die Römerstrasse von Winterthur nach Pfyn überwunden. Bis 1976 bestand bei Krummenau eine aus Felsen gebildete Naturbrücke, die im 19. Jh. von Kunstmalern und Reisenden besucht wurde. Zum Rickenpass gelangte man im MA über Furten und Brücken bei Kappel, Wis (Gem. Wattwil), Wattwil und Lichtensteig. Die Flussübergänge befinden sich meist an Stellen, wo die T. durch Felsen eingeengt ist. Erstmals schriftlich erw. werden Brücken bei Andelfingen (1354), bei Schwarzenbach (1453) und bei Lütisburg (1460). 1487 entstand die achtjochige Steinbrücke bei Bischofszell. Seit dem 19. Jh. wurden nebst zahlreichen Strassenbrücken und den Eisenbahnbrücken bei Ulisbach (Gem. Wattwil), Schwarzenbach (Gem. Jonschwil), Weinfelden, Eschikofen, Ossingen und Andelfingen auch die Autobahnbrücken bei Henau, Müllheim und Andelfingen gebaut.
Die Dörfer und Städtchen bildeten sich an Querrippen zum Thurtal auf Terrassen und Schuttkegeln der Seitenbäche. Insbesondere im Toggenburg entwickelte sich im 19. Jh. entlang der T. die Spinnereiindustrie. Bis zu Beginn des 19. Jh. führte ein Saumweg entlang dem Oberlauf der T., 1826 wurde der Fels rechts der T. für eine Strasse durchbrochen. Seit 1835 führt die Strasse dank Kunstbauten durch das Engnis von Dietfurt (Gem. Bütschwil).
V.a. im Bereich des Mittellaufs trat die T. immer wieder über die Ufer. Grössere Überschwemmungen erfolgten 1664, 1755, 1789, 1852, 1876, 1881 und 1883. Eine Thurkorrektion als gemeinsames Projekt der betroffenen Thurgauer und Zürcher Gem. wurde 1874-93 vorgenommen. 1907-13 fand im Kt. St. Gallen zwischen Ebnat-Kappel und Lichtensteig eine Korrektion statt. Bei Hochwassern im 20. Jh., nämlich 1910, 1965, 1977 und 1978, brachen jedoch einige Dämme. 1979 erstellten die drei Anrainerkantone gemeinsam das Thurrichtprojekt. 1983-2005 wurde die T. von der thurg. Grenze bis Andelfingen naturnah saniert. Das Projekt Hochwasserschutz und Auenlandschaft Thurmündung begann 2007. Die Landschaft von Lichtensteig bis Schwarzenbach mit Auen und Altläufen wurde 1983 ins Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung aufgenommen.