Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 7

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lichen Landleuten zählten, entweder zur alten Religion zurückkehren aber dann das Land zu verlassen hätten, geschah zwar durchaus auf Grund der bestehenden Verträge, die bloß den eigentlichen Landleuten im Toggenburg Glaubensfreiheit garantierten, war aber immerhin ein Teil der eben damals wuchtig einsetzenden gegenreformatorischen Bestrebungen. Das Gleiche ist zu sagen von der Aufnahme und Einbürgerung zahlreicher auswärtiger katholischer Familien, zum Zwecke der numerischen Verstärkung des katholischen Bevölkerungsteiles.

        Noch gespannter wurden die Beziehungen unter Abt Bernhard Müller. Die konsequente Durchführung der Gegenreformation durch ihn – immer jedoch unter Wahrung des gegebenen Rechtsstandpunktes, wie dies auf einen ergangenen Hülferuf die Züricher selber zugeben mussten – war diesem Abte Herzens- und Gewissenssache, erweckte aber naturgemäß die Befürchtung, daß es auf gänzliche Ausrottung des reformierten Bekenntnisses abgesehen sei. Der Unmöglichkeit dieses letzteren waren sich indessen die Aebte wohlbewußt, wie dies schon früher Abt Othmar dem hl. Karl Borromeo, als ernanntem Protektor der katholischen Schweiz, erklärt hatte; aber schon die Wiederaufrichtung katholischer Pfarreien neben den reformierten, wobei der Abt die finanzielle Ausstattung derselben meist aus Mitteln des Stiftes bestritt und nur in wenigen Fällen eine Rückgabe des von den Neugläubigen an sich gebrachten Pfrundgutes nach der Kopfzahl der katholisch Verbliebenen beanspruchte, wurde als rechtswidrige Schädigung der reformierten Interessen angesehen. Wie ungern auch die Protestanten dem Verlangen des Landesherrn nachkommen mochten, bei ihrem Gottesdienste gewisse katholische Gebetsformeln zu gebrauchen, an katholischen Feiertagen die Arbeit einzustellen, beim Läuten des Angelus in der Oeffentlichkeit das Haupt zu entblößen usw., das können wir ihnen heute lebhaft nachfühlen. Wie verstehen es auch daß der Widerspruch gegen diese Maßnahmen bei manchen Anlässen sich nicht auf bloße Worte beschränkte, sondern wiederholt auch in Tätlichkeiten ausartete. Letztere konnte natürlich die äbtische Regierung ihrerseits nicht ungeahndet lassen; es ergingen Straffentenzen, dazu weitläufige Rechtshändel vor den Schirmorten mit empfindlichen Kostenfolgen für die unterliegenden Reformierten, was alles dazu beitrug, die Gährung unter diesem Konfessionsteil zu verstärken. Die Erregung suchte sich ein Opfer, und da sie sich an den mit stärkeren Machtmitteln ausgerüsteten Landvogt zu Lichtensteig nicht heranwagte, ward als solches Opfer ausersehen der äbtische Hofammann Hauptmann Hans Ledergerw zu St. Johann, aus angesehenem Wiler Geschlechte. Kraft seiner amtlichen Stellung als ausführendes Organ der obrigkeitlichen Verfügungen und Strafmaßnahmen im oberen Toggenburg, mußte er natürlich den Haß der Betroffenen auf sich ziehen; ihn aber, wie Näf in seiner „Chronik der Stadt und Landschaft St. Gallen“ es tut, einem Tyrannen Geßler gleichzustellen, geht weit über das Ziel hinaus. Hören wir nunmehr, wie der bereits genannte zeitgenössische lateinische Bericht die Vorgänge bei dieser blutigen Tragödie vom 9. November 1621 schildert.

 

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