Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 27

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aber leise Frage an die mitanwesenden (und später mitbeklagten) Ammann Tobler gerichtet.

        Andere Zeugen sagten aus, daß Edelmann vom Mordtage an keine gesunde Stunde mehr gehabt habe; er habe sich zu Bette legen müssen und in seinen Reden beständig von den beiden Wicklin „gebrudlet“. Als ein Zeuge (Bösch) näher zum Bette des sterbenden Edelmann treten wollte, um ihn besser zu verstehen, habe dessen Frau dies auf jede Weise zu verhindern gesucht. Der Sterbende habe auch gebeten, man möge in einer allenfalls anhebenden Untersuchung von ihm nichts sagen, da vielleicht sonst seine Gebeine noch ausgegraben würden. Auch habe derselbe den Zeugen einen Geldbetrag angeboten für ihr Schweigen. Den Zeugen erschien alle diese Dinge und Umstände als Aeußerungen eines schuldbeladenen Gewissens. —

        Es ist wohl nicht angebracht, an dieser Stelle mit einigen Worten auf die gefällten Gerichtsurteile zurückzukommen. Der Mentalität des Verbrechens überhaupt eintreten möchte, erscheinen jene Urteile zweifellos als grausam, ja als barbarisch. Wir können dieselben eben nur verstehen, wenn wir den Geist des Zeitalters, in das sie fallen, im allgemeinen und die kulturelle Einstellung zur Strafwürdigkeit des Verbrechens im besondern erfassen, wie ja überhaupt jedes geschichtliche Ereignis, so weit es freie Tat des Menschen ist, nur vom Gesichtspunkt der Zeitumstände heraus gewürdigt werden darf. Die Menschen vor dreihundert Jahren — es war auch gerade die Zeit der Hexenprozesse —dachten eben anders und ihre sozialen Notwendigkeiten erforderten strengere Strafmaßnahmen als heute. Eben auf dieser Erkenntnis fußten die strengen Bestimmungen der Constitutio Carolina als Reichsgesetz. — Anderseits haben wir auch gesehen, daß dabei das Begnadigungsrecht des Fürste ein sehr weitgehendes war. Als das Landgericht im Toggenburg seine Urteile im Sinne der Carolina fällte, war es sich wohl im voraus bewußt, daß an der fürstlichen Milde ein starkes korrektiv gegenüber den harten Strafsentenzen zu erwarten sein würde, und in dieser Annahme sah das Gericht sich nicht getäuscht. Es wurde ja oben ausgeführt, wie jene Stoßenden Härten —das Zwicken mit glühenden Zangen, das Aufstecken der Häupter der Gerichteten am Tatort, das Ausgraben der Leichen der verstorbenen Schuldigen —dahinfiel und die Urteile mit einfacher Hinrichtung der Hauptschuldigen und Verhängung von Geld- und Ehrenstrafen über die Mitschuldigen und Mitwisser endigten. So können wir auch hier differenzieren zwischen forensischer Theorie und Praxis. —

Wie vermerkt lauteten mehrere der angeführten Gerichtsurteile auch auf teilweise Konfiskation des Vermögens einiger Verurteilter zugunsten des Fiskus. Von diesem waren einzelne nach damaligen Verhältnissen vermögliche Leute, so Josef Scherer und die Ammänner Tobler, Schwztzer und Heinrich Scherer. Der zu konfiszierende Teil ihrer Habe wurde jedoch von den äbtischen Organen in äußerst entgegenkommender Weise und unter Rücksichtnahme auf alle Umstände festgesetzt und glich mehr einem wohlwollenden Abkommen mit den Verurteilten oder deren Erben. Diese Verrechnung erfolgte den 11. September 1629 gemeinsam durch Statthalter Deikola Enderling zu Neu St. Johann, Landvogt Rudolf Reding zu Lichtensteig, Johann Georg Reding, Vogt auf Yberg, und Hofammann Kilian Germann zu St. Johann. Die sich ergebende Summe wurde dann im fol-

 

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