Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 8

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II.

Der Mord an Hofammann Ledergerw.

        Hauptmann Ledergerw, Bruder des Pater Othmar, Konventuals im Kloster St. Gallen, war ein Mann voll Redlichkeit und Gerechtigkeit. Weil er aber die Bewohner des Thurtales, die mehr als die übrigen Toggenburger zu Unruhen geneigt und beständig Urheber von Neuerungen waren, in der Treue und im Gehorsam zu erhalten und zur Beobachtung der Gesetze anzuhalten bestrebt war, darum auch die Gesetzesübertreter, wie es in seiner Pflicht lag, mit zwar durchaus gerechten Strafen belegte, zog er sich einen wütenden Haß zu, der so tief ging, daß sie in heimlichen und verbotenen Zusammenkünften beschlossen, ihn aus dem Leben zu schaffen, auch einen Amtsmann der oberen Landschaft ins Vertrauen zogen und sich von ihm in ihren blutigen Vorhaben bestärken ließen. So nahmen denn vier von diesen „Söhnen Belials“, sei es aus eigener Verworfenheit, sei es, was wahrscheinlicher ist, durch große Versprechungen bewogen, die Ausführung der ruchlosen Tat auf sich, nachdem sie einander zuvor eidlich Treue und Verschwiegenheit angelobt hatten. Als Tatort wählten sie eine Wegstelle zwischen Neßlau und Stein, wo eine Krümmung des gewunden Tales, an einem abschüssigen Nebenweg, für ihr Vorhaben besonders geeignet erschien. An der Stelle ist heute ein Pfeiler in Kreuzesform aufgestellt, der die Erinnerung an die vollbrachte Missetat lebendig erhält. (Besteht gegenwärtig nicht mehr.) Als Zeitpunkt bestimmten sie den 9. November 1621, als dem Tag des Wildhauser Marktes, den, wie sie wußten, der Hofammann in amtlicher Eigenschaft besuchen würde. Wohl war derselbe vor den gegen sein Leben gerichteten Anschlägen wiederholt gewarnt worden, weil er aber entweder den Warnungen seinen Glauben schenkte oder die Parzen seinen Lebensfaden bereits abgesponnen hatten, so konnte er denselben nicht entgehen. Er bestieg also sein Pferd, um nach Wildhaus zu reiten, und trat ohne Furcht den Weg an, den er schon hundertmal ohne Gefährde begangen, nun aber ohne Ahnung, daß der Tod ihm Verderben bereiten und ihn unvorbereitet mit tückischer Hinterlist überfallen würde. Hinter ihm ritt als Begleiter der toggenburgische Landschreiber Johann Georg Rütti, wie sein Herr gebürtig aus Wil. Ledergerw hatte die Gewohnheit, auf der Reise betend die Perlen des Rosenkranzes durch die Finger gleiten lassen, oder die Lauretanische Litanei, die eben unlängst zuvor eingeführt worden und von der er zur Vermeidung der Vergeßlichkeit immer eine Abschrift bei sich zu tragen pflegte, zu beten, zur Erlangung eines glückseligen Todes und der dazu notwendigen Gnaden. Eben war er mit diesem Gebete zu Ende gekommen und gerade an dem für den Mordanschlag ausersehenen Orte, wo die Missetäter ihn erwarteten, angelangt, siehe, da wird er plötzlich auf der linken Seite von einer Kugel mit so starkem Schusse durch die Miliz durchbohrt, daß das Rückgrat zerschmettert wurde und die Milz heraustrat. Sein Pferd war ob dem Knall des Gewehres oder dem Aufschlagen der Kugel in starke Aufregung geraten und sprang in hellen Sätzen vorwärts, worauf auch der nachfolgende Schreiber ihm rasch nachsetzte. Da rief sein Herr, der eigenen Not vergessend und nur um den Diener besorgt, diesem zu: „Nimm dich in acht, in bin von einer Kugel getroffen!“ Mit Mühe konnte er noch

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Bild 1

 

Schultheiß Hans Ledergerw von Wil

und sein Sohn Hans, der später ermordete Hofammann

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