Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 18

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und im einzelnen, in welchen Fällen und mit welchen Torturmitteln vorgegangen werden sollte. Sie war aufgerichtet worden auf den Reichstagen zu Augsburg und Regensburg und von Kaiser Karl V. im Jahre 1532 in Kraft erklärt worden. Im Gerichtsgebrauch hieß sie kurzweg die «C.C.C.» (Cautio criminalis Carolina). Diese „Malefizordnung“, wie sie auch genannt wurde, hatte Geltung für das gesamte Reichsgebiet, zu dem formell bis zum Westphälischen Frieden auch die Schweiz gehörte. In einzelnen Teilen behielt sie Rechtsgeltung bis tief ins 19. Jahrhundert hinein, so beispielsweise in Mecklenburg bis zum Jahr 1871.

        Zu unserem Falle ist nun zu sagen, daß die Folter nur dann gebraucht wurde, wenn die bestimmte richterliche Überzeugung vorwaltete, daß beim Verhör ein sicheres Wissen hinterhalten worden. Das durch die Tortur erzielte Geständnis gelangte auch nur dann zur aktenmäßigen Bewertung, wenn der Gefolterte dasselbe bei der nachfolgenden gütlichen Befragung aufrechterhielt und bestätigte. Als Torturmittel wurde von den vielen nur ein einziges und zwar unblutiges angewendet, nämlich das Ausziehen an der Welle, bei den Haupttätern mit angehängten Gewichten. Es waren auch nur die kräftigen, gefunden, jüngeren Männer, die so gefoltert wurden, während die alten und schwächlichen Personen bloß „getrümlet“ und ihnen die Folter nur angedroht wurde. —

        Der Schreibende kam seinerzeit in den Fall, von Berufswegen in eine lange Reihe aktueller Kriminalprozeduren großen und kleineren Umfanges Einsicht zu nehmen. Bei einem Vergleich derselben mit den Alten des Ledergerw-Prozesses könnte er nicht finden, daß bei diesem die Sorgfalt und Umsicht der Untersuchungsorgane eine geringere gewesen wäre als beim heutigen Verfahren. Was immer zur Aufklärung im Ermittlungsverfahren dienen konnte, wurde sorgsam abgeklärtes Bild der Rechtslage ergab.

        Trotzdem wollten die Untersuchungsorgane noch ein Mehreres tun. Sie schlugen gemeinsam dem Fürstabt vor, er möchte veranlassen, daß einige unbehelligte auswärtige Rechtsgelehrte eine Ueberprüfung und Begutachtung des Aktenmaterials vornehmen würden. Fürstabt Bernhard kam der Anregung bereitwillig nach und so wurde denn das gesamte Material drei rechtskundigen weltlichen Mitgliedern des fürstbischöflichen Konsistoriums zu Konstanz, den Doktoren Johann Harder Hektor Dornberger und Christoph Raßler unterbreitet. Nach vorgenommener Prüfung erklärten diese ihr volles Einverständnis mit den Schlußfolgerungen und Anträgen St. Gallens. Immerhin bemerkten sie dazu: Es sei zu besorgen, daß „das Landgericht im Toggenburg seinem bösen Brauch nach mehr zur milden Abstrafung sich inklinieren werde“ —

So war die Sache nunmehr, zu Ende Juli spruchreif geworden und konnte an das Landgericht geleitet werden. Weil in den Gegenden um das Toggenburg damals die Pest ziemliche Opfer forderte und man deren Einbruch auch in diese Landschaft befürchtete, wurde für gut befunden, in der Sache rasch vorzugehen und so trat denn das Landgericht zur Aburteilung der vier Hauptschuldigen bereits den 6. August zu Lichtensteig zusammen unter dem Vorsitz des Reichsvogtes als „Blutrichter“. Die Beisitzer waren aus fast sämtlichen Gemeinden des Toggenburgs genommen,

 

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