Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 3
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Im November 1924 waren es 300 Jahre gewesen seit einem Ereignis, das zu seiner Zeit große Erregung hervorrief, nicht nur in st. gallischen Landen, sondern weitum im Gebiete der Eidgenossenschaft. Ein politischer Mord! Glücklicherweise sind solche Tragödien selten in unserer st. gallischen Geschichte, aber eben diese glückliche Seltenheit läßt ihren Nachhall umso stärker erklingen.
Es handelt sich im Nachstehenden um den bekannten Mord an dem stift-st. gallischen Hofammann zu St. Johann, von Wil, der als ein Opfer schwerer konfessionell-politischer Gegensätze fiel. Die Handlung ist gelegentlich in kurzen Zügen schon etwa Gegenstand der Darstellung gewesen, aber noch niemals an Hand und auf Grund der bezüglichen amtlichen Akten. Es findet sich nämlich im Stiftsarchiv St. Gallen ein reichhaltiges Material über diesen Gegenstand, teils in lateinischer, teils in deutscher Sprache. Im besonderen sind es die Handschriftenbände No. B 193, F 1475 und F 1725, die diese Angelegenheit beschlagen. Eine Durchsicht derselben ergibt, daß dieselben einen bemerkenswerten Ausschnitt aus der toggenburgischen Zeitgeschichte bieten, gewähren sie vor allem einen interessanten Einblick in das Wesen und in die Gestaltung der Kriminal-Judikatur des 17. Jahrhunderts in st. gallischen Landen, die ihrerseits doch wieder nur ein Spiegelbild war des bezüglichen Gerichtsverfahrens in gemein-eidgenössischen Landen. Der Schreibende hält die Sache für wert, daß sie einem weiteren geschichtsfreundlichen, zumal toggenburgischen Leserkreis zugänglich gemacht werde und möchte er dieselbst hiemit in möglichst objektiver und unvoreingenommener Darstellung bieten. Zuvor aber scheint es dienlich, in einigen kurzen Strichen das Verhältnis der Fürstabtei St. Gallen zu ihrer Untertanenlandschaft Toggenburg im allgemeinen zu zeichnen, und damit den politischen Hintergrund aufzuzeigen, auf dem das blutige Ereignis von Neßlau sich abspielte. —