Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne - Seite 29
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Seligen aufgenommen worden.“ (Heute noch wird alljährlich im Monat November in der Kirche zu St. Nikolaus in Wil ein Jahrzeit mit 3 hl. Messen für Ledergerw verkündet und gehalten.)
So war denn Hans Ledergerw, auch äußerlich von imponierender Gestalt, ein würdiges Glied dieses alten Wiler Geschlechtes. Die Ledergerw sind in der Aebtestadt als Bürger nachweisbar seit dem Jahr 1308, wo einer dieses Namens den Hofstattpfennig (eine Art Haus- und Grundsteuer) entrichtete, und sie gelangten in der Folge häufig zu den wichtigsten Aemtern ihrer Vaterstadt. Ein Heinrich Ledergerw war 1411 erstmals Schultheiß daselbst und mehrere andere seines Geschlechtes folgten ihm in Laufe der Jahrhunderte in diesem Amte noch, so auch der Vater des ermordeten Hofammanns. Wieder andere waren Reichsvögte, Lehenvögte, Hofammänner zu Wil oder Landvogtei-Verwalter des Toggenburg; einer war Leibarzt und Hofrat des Kurfürsten von Mainz- Zahlreich war der Name auch vertreten im geistlichen Stande. Hier finden wir den Abt Benedikt Ledergerw des Stiftes Rheinau und dessen Schwester Anna als Aebtissin der Frauenabtei Paradies bei Schaffhausen, nebst weitern drei Geschwistern als Ordensprofessen; ferner den Dekan Fintan Ledergerw im Stift St. Gallen; den Statthalter Othmar Ledergerw zu St. Johann, den die Ermordung seines Bruders Hans geistig und leiblich niederbeugte, nebst einer ganzen Reihe von Weltgeistlichen.
In früheren Jahrhunderten pflegten die Ledergerw auch häufig in fremde Kriegsdienste zu treten und brachten es daselbst vielfach zu ansehnlichen Offiziersstellen, wie unser Hofammann Hans, der als Hauptmann in mehreren Treffen sich auszeichnete. Der letzte dieser kriegstüchtigen Ledergerw war Pankraz, ein Schwestersohn des letzten Fürstabtes Pankratius Vorster von St. Gallen. Er trat später in eidgenössische Dienste über und kommandierte 1832-33 als Oberst die eidgenössischen Okkupationstruppen im Kanton Basel (bei der blutigen Trennung von Baselstadt und Baselland vor hundert Jahren.) Der Glanz des Geschlechtes Ledergerw sollte aber mit ihm erlöschen. Sein letzter Vertreter, ein ganz unansehnliches Männchen, dem Schreibenden wohlbekannt, führte in seinen besseren Jahren in St. Gallen ein Handel mit Kunstbildern. Hauptsächlich betrieb er den Verkauf der heute noch hochgeschätzten malerischen Städte – und Landschaftsbilder seines Schwagers, des in verdientem Rufe stehenden Malers, Kupferstechers und Lichtbildners Joh. Baptist Isenring von Lütisburg. Ledergerw verzog sich später in seine Vaterstadt, wo er als Original in seiner Art und als wohlgelittener Sonderling seine Tage beschloß. Wohl wußte er von dem Ruhme seiner Vorfahren, besaß aber selber weder den Ehrgeiz noch die geistigen und materiellen Erfordernisse, die seinem Geschlechte einen entsprechenden ruhmvollen Abschluß gesichert hätten.
Sic transit gloria mundi! So vergeht die Herrlichkeit der Welt!
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