Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 11
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storbenen neunjähriges Söhnchen Johann Georg, der damals zu St. Johann in der dortigen Klosterschule die Anfangsgründe der Wissenschaften lernte, die Überreste des geliebten Vaters noch ein letztes Mal anschauen könne. Er tat es mit zwar trockenem Auge, konnte aber in späteren Jahren, wenn auch nur die geringste Andeutung vom Morde fiel, sich der Tränen nicht enthalten. Nachdem der Sarg wieder geschlossen worden, ward er ins Grab gesenkt, und zu dessen Häupten ein großes, schön bemaltes eisernes Kreuz gesetzt, auf der dem Berge zugekehrten Seite jedoch eine Tafel angebracht, auf der das Exempel des bei Jericho von den Räubern überfallenen und erst vom barmherzigen Samaritan Aufgehoben — beinahe der gleiche tragische Vorgang wie bei unserem Hauptmann — dargestellt war. — Soviel über den Mord, das Leichenbegängnis und Begräbnis dieses ausgezeichneten Mannes, dessen Andenken Pater Bonifaz Rüdlinger, des Verstorbenen Freund und damals Statthalter zu St. Johann, in einem ausdrucksvollen Trauergedichte feierte. —
III.
Die Sühne des Verbrechens.
Im Vorstehenden wurde bereits gesagt, daß als Veranstaltung zum Morde ausgegeben wurde die Amtsführung Ledergerws. Erst neustens wieder (vgl. Historisch-Bibliographisches Lexikon der Schweiz, Band VII. Seite 12) wird dem Hofammann das Prädikat eines „unduldsamen Amtsmannes“ beigelegt. Es geschieht dies zu Unrecht. Ledergerws Amtsführung bewegte sich durchaus im Rahmen seiner Pflicht und des seines Oberherrn geleisteten Eides. Im Falle der Notwendigkeit freilich schreckte er auch vor strengeren Maßnahmen nicht zurück, wenn sein Gewissen ihm solche diktieren mochte. Die Anlage zur Unduldsamkeit und noch weniger zur Ungerechtigkeit lag überhaupt nicht im Charakter des heiteren und freimütigen Ledergerw-Geschlechtes, das durch Jahrhunderte hin sowohl den Fürstäbten als auch der Heimatstadt Wil eine lange Reihe tüchtiger und beliebter Beamter stellte. So haben ja gerade in unserem Mordprozesse — wir werden später darauf zurückkommen — Die Täter wie nicht minder die weiteren Angeschuldigten immer und immer wieder sich dahin geäußert, daß „der Hauptmann ihnen ein lieber Mann gewesen“. Und einer der Beklagten, Joseph Scherer von Neßlau, führte zum Erweise dessen in seiner Rechtfertigung den Umstand an, daß der Hauptmann in seinem (Scherers) Gasthause seine (zweite) Hochzeit abgehalten habe, zu allgemeiner Freude und Genugtuung. Spricht dies für Unduldsamkeit? — Doch nun zum Tatsächlichen.
In der ersten Hälfte des Jahres 1621 hatte Ledergerw angeordnet, daß die jährliche Musterung der waffenfähigen Mannschaft der Gemeinden Ennetbühl, Sidwald und Neßlau inskünftig im Dorf (Alt-) St. Johann gemeinsam stattzufinden habe, statt wie zuvor gesondert an jedem der genannten drei Orte. Der Hofammann mag diese Aenderung kaum aus eigener Machtvollkommenheit vorgenommen haben, als vielmehr auf Weisung seiner vorgesetzten Behörde, die für das ganze Land solche Waffenschauen abhalten ließ. Nun war es aber seit jeher Brauch zumal der Obertoggenburger gewesen, hinter allen Verfügungen der Landesbehörde selbstsüchtige, den toggenburgischen Interessen schädliche Absichten zu wittern.