Ein politischer Mord im Toggenburg und seine Sühne. - Seite 9

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vom Pferde steigen, machte, vom Diener gestützt, noch einige Schritte zu einer nahen Scheune oder einem Heustadel und mußte sich dort auf den Boden niederlassen. Gottes wunderbare Vorsehung fügte es nun, daß im nämlichen Augenblicke der Pfarrer von Neßlau, das Breviergebet verrichtend, nicht weit von der Stelle durch den Wiesengrund spazierte. Schnell gerufen, war er sofort zur Hand und konnte sogleich des tödlich getroffenen Hofammanns Beichte hören und seine letzte Willensverfügung entgegennehmen. Aus freien Stücken flüsterte dieser dann dem Pfarrherren ins Ohr, daß er dem Verüber des Mordanschlages von Herzen verzeihe und vergebe, keine Rache begehre, und wenn er selber das Leben behalten würde, weder Nachforschungen nach demselben anstellen, noch auch bei der Obrigkeit Klage anheben werde. Wahrhaftig ein Wort, würdig eines christlichen Helden, und umso bewundernswerter bei einem Manne, der im Kriegshandwerk sozusagen aufgewachsen war! (Als Hauptmann hatte er nämlich zweimal in spanisch-mailändischen, und einmal in französischen Diensten die Stift-st. gallischen Kompanien geführt.)

        Weit merkwürdiger aber ist, daß unter all den vielen dort Vorübergehenden und Fahrenden auch nicht ein barmherziger Samariter sich fand, der von Mitleid bewegt Halt gemacht hätte, um wenigstens mit Worten zu helfen, oder auch nur den leisesten Gedanken geäußert hätte, den ruchlosen Mörder verfolgen zu wollen. Ja, es verstieg sich sogar, wie denn Böses sich fügt, die Herzlosigkeit des herbeigerufenen thurtalischen Wundarztes soweit, daß dieser nicht davor zurückschreckte, unter dem Schein, die Wunde zu untersuchen, mit vergifteten Instrumenten den Tod noch zu beschleunigen, falls er sonst nicht gewiß wäre. Dies blieb aber nicht ungerächt, denn kurze Zeit hernach starb dieser Wundarzt, von Gottes Hand erreicht, selber eines schrecklichen Todes.

        Während nun aber, wie oben erzählt, der verwundete Hofammann mit dem Priester seine Seelenangelegenheiten ordnete, wurden aus der Nachbarschaft ein Bett und ein Wagen leihweise erbeten und der Hauptmann, der vor Kälte und vielleicht auch in der beginnenden Angst vor dem Tod, am ganzen Leibe zitterte, auf dies Lager gebettet, um nach Neßlau zurückgebracht zu werden. Man war aber kaum ungefähr einen Büchsenschuß weit vorwärts gekommen, als seine des Himmels würdige Seele dem Leibe entfloh. (Der Umstand, daß Ildephons von Arx in seiner „Geschichte des Kantons St. Gallen“, Bd. III. S. 144, den Betroffenen noch unter den Händen des verräterischen Chirurgen den Geist aufgeben läßt, rechtfertigt den Schluß, daß der genannte Historiker unsere Handschrift nicht benützt hat.)

        Nachdem das Gerücht von der schwarzen Untat sich in St. Johann verbreitet hatte, begab sich Pater Justus Senn, Prior und Vikar daselbst (er war Bürger von Wil und fiel als ein Opfer der herrschenden Pest), in möglicher Eile an den Tatort, um den Sterbenden womöglich noch am Leben anzutreffen, wie dieser auch nach dem Berichte des Schreibers seine Gegenwart ungemein herbeisehnte. Er wäre wohl auch noch rechtzeitig angekommen; das Verhängnis wollte es aber, daß er gerade zur selben Zeit kein Pferd zu Hause hatte, der Ammann dortselbst aber ihm die leihweise Benützung eines solchen abschlug. Zu spät angekommen, konnte Pater Justus nurmehr dem Leichnam, den er unweit Neßlau antraf, zum äbtischen Amtshause dortselbst folgen. Weil jedoch Hauptmann Ledergerw

 

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